Olympische Spiele 2020 in Tokio? Das war einmal. Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wie in meinem vorangegangen Artikel geschrieben, wollte ich euch auf meinem Weg Richtung Olympische Spiele 2020/Europameisterschaften 2020 mitnehmen und Einblick in meine Denk- und Handlungsweisen geben. Mein Weg, der Weg aller Athleten[1] hat mit dem Corona-Virus nun eine abrupte Wendung genommen.

Für uns professionelle Sportler ist es schwierig, ohne den normalen Wettkampf- und Saisonrhythmus zu planen. Die Olympischen Spiele sind alle vier Jahre und für uns Athleten das große Ziel, auf welches wir unser ganzes Leben ausrichten, auf welches minuziös hingearbeitet wird. Dabei basiert unsere tägliche Arbeit auf präzisen Plänen, die wir mit großem Vorlauf und sehr detailliert mit unserem Team erarbeitet haben, um uns für den einen Zeitpunkt X in Bestform zu bringen.

Unser großes Projekt: Olympische Spiele

Olympische Spiele sind für uns im Grunde wie ein gewaltiges Projekt. Ein Projekt, das es uns maßgeblich ermöglicht, uns zu finanzieren und unseren Sport professionell auszuüben. Somit ist für uns die Zielsetzung Olympische Spiele mit der eines Großprojekt eines Unternehmens vergleichbar, auf welche das Unternehmen jahrelang hinarbeitet. Folglich beeinflusst der Erfolg oder Misserfolg eines solchen Projekts existentiell die Zukunft von sowohl Athleten als auch Unternehmen.

In gleicher Weise wie Großprojekte in der Wirtschaft weder von heute auf morgen geplant noch umgesetzt werden, bedeuten auch die Olympischen Spiele für uns Athleten eine jahrelange Vorbereitung und großen Planungs- und Umsetzungsaufwand. Diese Vorbereitungszeit, die strenggenommen mit Abschluss der vorherigen Spiele beginnt, beruht auf einer sorgfältigen und detaillierten Planung, die mitunter viele Bereiche betrifft. Hierbei geht es um Aufgabenbereiche wie: Athletik, Ernährung, „Mentale Stärke“ um nur ein paar Ausgewählte zu nennen.

Unsere genauen Pläne sind nicht zuletzt wichtig, um Ressourcen (siehe auch Artikel 1) bestmöglich einzusetzen, um Hindernisse nicht nur zu überwinden, sondern an jeder einzelnen Hürde zu wachsen. Auch hier lässt sich eine Parallele zu SAHRPI[2] erkennen, einem gemeinsam mit Spitzensportlern erarbeiteten Konzept von Patparius, dem eine Denk- und Handlungsweise auf Basis unseres #Athletendenken zu Grunde liegt. Das „P“ in SAHRPI steht hierbei für Plan und bezieht sich auf die Planung eines möglichst konkreten Wegs zum Ziel.

Bedeutend bei der Erstellung von Plänen ist es auch, potentielle Szenarien im Auge zu behalten, um möglichst in der Lage zu sein, die Planung jederzeit – z. B. bei veränderten Bedingungen – anpassen zu können. Natürlich ist es schwer möglich, ein Szenario, wie es sich gegenwärtig entwickelt hat, vorherzusehen bzw. hier entsprechend vorbereitete Pläne aus der Schublade zu ziehen. Nichtsdestotrotz ist es bei der Planung ausschlaggebend, auf der einen Seite so konkret wie möglich zu planen, um auf der anderen Seite so flexibel wie notwendig sein zu können.

Meine – nun irrelevanten – Planungen für Tokio 2020

 Im Folgenden will ich euch Einblick in die Hintergründe meiner Planung für Tokio 2020 geben. Natürlich ist dieses Ziel jetzt nicht mehr derartig zu verfolgen, jedoch gibt es euch einen Einblick, wie die Planungen im Einzelnen bei mir ausgesehen haben. Beispielsweise habe ich schon Anfang 2018 begonnen, mit meinem Trainer über die Olympischen Spiele 2020 zu sprechen bzw. konkrete Pläne zu entwickeln. Im Frühjahr desselben Jahres haben wir mit der konkreten Formulierung der nachfolgenden Monate begonnen. Dabei wurden die verschiedenen Aspekte des Trainings aufeinander abgestimmt, wodurch mir als Athlet ein strukturiertes Vorgehen ermöglicht wurde.

Vergangenen Montag war geplant, aus dem Trainingslager in Südafrika zurück zu kommen. Tatsächlich sind wir dann in einer Nacht- und Nebelaktion überstürzt bereits am 14. Februar zurückgekommen. In Stellenbosch sollte vor allem die allgemeine Grundlage für die nachfolgenden Wochen gelegt werden. In den anschließenden Wochen wollte ich nunmehr den Fokus auf die technische Verfeinerung in einigen Schlüsseldisziplinen legen, um dann bis zum Mehrkampfmeeting in Götzis mich insbesondere im Bereich Wurf und Hürde weiterentwickelt zu haben. Alles im Hinblick darauf im August 2020 in Tokio bereit zu sein, meine Bestleistung abzurufen.

Es geht weiter, es geht immer weiter

Nun hat das Auftreten des Corona-Virus jede Planung über den Haufen geworfen. Für mich und mein Team geht es nunmehr darum – wie für jeden von uns – die neuen Rahmenbedingungen anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Wir sind dabei, unsere Pläne neu zu entwickeln, um nun bei den Olympischen Spielen im Juli/August 2021 das höchstmögliche Leistungsniveau zu erreichen.

Für mich als junger Athlet ist dies nicht unbedingt zu meinem Nachteil, weil ich jetzt ein knappes Jahr mehr Zeit habe, meine Leistungen zu verbessern und mich kontinuierlich zu steigern. Aber für ältere Athleten, für die die Olympischen Spiele 2020 das Ende ihrer Karriere sein sollte, ist es nun sehr komplex, ihre Planungen anzupassen und eventuell noch ein Jahr dran zu hängen. Für sie geht es nicht nur um die Anpassung der Trainingsplanung, sondern vielmehr um die Planungen der Karriere nach der Sportlerlaufbahn.

Was bleibt, ist, dass Corona unser aller Leben – ob Athlet oder nicht – sehr verändert. Ziele und Pläne sind wichtig, die Olympischen Spiele ebenso, aber für jeden von uns ist jetzt am wichtigsten gesund zu bleiben oder falls erkrankt, hoffentlich wieder schnellstmöglich zu genesen. Unsere Gesundheit ist am Ende die Grundlage für alles, weshalb es wichtig ist, dass wir gegenseitig solidarisch auf uns aufpassen.

Bis bald.

Andreas Bechmann (Eintracht Frankfurt)

[1] Der besseren Lesbarkeit halber haben wir auf die weibliche Form Mehrkämpferin, Athletin bzw. Sportlerin verzichtet. Ich selbst bin ein Athlet und habe deshalb die männliche Form bevorzugt.
[2] Ein Konzept bestehend aus sechs Prozessschritten. Jeder Buchstabe steht für einen zu klärenden Aspekt, der die Bewältigung von persönlichen Herausforderungen unterstützt. ´S´ steht für Sense/Purpose (im Sinne von: Welchen Sinn macht das Ganze für mich?), ´A´ für Aim (Wie sehen ganz konkret meine Ziele aus?), ´H´ für Hurdles (Welche Hürden muss ich meistern?), ´R´ für Resources (Auf welche Ressourcen kann ich zurückgreifen?), ´P´ für Plan (Wie sieht ganz konkret mein Plan aus?), ´I´ für Incentive (Mit was belohne ich mich für meine Anstrengung?).